Wieviel sind eigentlich 20g pflanzliches Protein?

Ernährung, Lebenswandel, Supplemente
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Goldzwerg
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Beitrag von Goldzwerg » 5. Okt 2023 18:01

Die Eiweißfrage wird in den klassischen Rohköstlerkreisen bekanntlich eher verneint und es ist formal auch richtig, dass der Mensch zum bloßen Überleben kaum Protein benötigt. Vielleicht 0.3g pro kg Körpergewicht reichen hier völlig aus und ich habe als frugivorer Rohköstler so auch relativ lang (über Jahre hinweg) so gelebt.

Dennoch macht sich der Frugivore, der sein ganzes Leben lang so leben will, letztlich doch etwas vor. Man verliert rasch Fett und vor allem Muskelmasse und selbst das Knochensystem ist bleibt nicht sonderlich stabil bei dieser Ernährungsform. Alles verfeinert sich bis zur fragilen Schwächlichkeit. Viele „spirituelle“ Rohköstler empfinden dies zunächst positiv als eine Öffnung feinerer Kanäle und in der Tat fördert diese Ernährungsform wie keine andere die reinste Vergeistigung.

Die Lebensfähigkeit wird freilich drastisch heruntergesetzt – vor allem im Winter unserer nördlichen Klimazone. Ich hatte im Winter damit meine Körpertemperatur dauerhaft auf ca. 33.5° heruntergebracht und war abgemagert auf unter 70 kg (heute bin ich schon lange wieder auf Normalgewicht, um die 85 kg). Ständiges Frieren war die Folge, das man als Rohköstler allerdings wiederum sehr leicht erträgt. Man ist ja durch die Vitalkost tatsächlich unerkältbar. Die ganzen frugivoren Hungerknochen belügen sich jedoch selbst, wenn sie glauben, dass sie sich dadurch vollster Gesundheit und Lebenskraft nähern – das Gegenteil ist der Fall. Nachts verfällt man direkt nach dem Einschlafen oft in Klarträume, die in alptraumhaften Ängsten enden - vielleicht ein Zeichen dafür, dass der Körper am Verhungern ist.

Außerdem ist diese Ernährungsweise langfristig für die Zähne katastrophal. Es dauert zwar viele Jahre, bis die ersten ernsthaften kariösen Erscheinungen auftreten, aber schließlich kommen diese doch mit großer Wucht. Das kann für viele frugivore Rohköstler zu einer brutalen Ent-Täuschung bezüglich ihrer Ernährungsweise sein, von der sie sich so viel erhofft hatten. War bei mir auch der Fall. :|

Besser wird es, wenn man die Nahrung durch ausreichend Gemüse ergänzt bzw. Gemüse und Kräuter sogar in den Mittelpunkt rückt. Dieses hat einen weitaus höheren Anteil an Eiweiß im Verhältnis zur Kalorienmenge. Ich habe dazu den Faktor Substantialität (Eiweißdichte) eingeführt. Das ist das Verhältnis des prozentualen Eiweißanteiles zum Gesamtkalorienwert, multipliziert mit 1000 (um auf eine „griffige“ zweistellige Zahl zu kommen).

Daraus ergeben sich folgende Werte:

Getreide: 35 (Reis mit 21 am niedrigsten, Einkorn mit 53 am höchsten)

Hülsenfrüchte: 78, nur relativ geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Sorten, aber Sojabohnen 101

Obst: 20 (Äpfel nur 6, Himbeeren hingegen immerhin 47)

Nüsse: 19 (Macadamias 10, Mandeln 31)

Gemüseobst: 52 (recht hoher Wert aufgrund niedriger Fett- und Kohlenhydrate-Werte, das meiste bei Gurken, Tomaten usw. ist schlicht Wasser)
gezüchtetes Grünzeugs: 113 (Eisbergsalat 52, Spinat 161!)

Kräuter: 85 (Salbei 32, Gartenkresse 125)

Wurzeln: 61 (Möhren und Kartoffeln 26, Kohlrabi 80)

Pilze: 166, geringe Unterschiede zwischen den Sorten

Sprossen: 136, auch eher kleinere Unterschiede

Milch: 50 (Kuhmilch ist hier durchschnittlich mit 51, aber menschliche Milch hätte z. B. nur einen Wert von 16, was tatsächlich die vegane Anschauung eher bestätigt, dass tierische Milch für uns kein optimales Nahrungsmittel ist.)

Käse: 93 (Camembert 60% Fett i. Tr. 46, Harzer Roller 225)

Vollei: 81

Rotes Fleisch: 170 (Lammgulasch 53, Rehkeule 214)

Innereien: 146

Geflügel: 164

Süßwasserfische: 196 (Karpfen 152, Zander 225)

Fettfische: 79 (Aal 52, Makrele 100)

Kaltwasserfische: 219 (Seehecht 183, Schellfisch 241)

Wurst: 54

Naschereien: 20 (Schokolade z. B. 17)

Getränke: 12 (Wein und Spirituosen 0 bis 1, Tee 8, Bier 11 – 19, Eierlikör 15, Säfte 15 – 50, Kaffee 61)

Je höher nun der Wert ist, desto substantieller ernährt man sich, d. h. desto mehr Baustoff erhält der Körper zum Aufbau. Vor allem Kinder und Jugendliche sollten nicht zu wenig substantiell ernährt werden, da das Gehirn Proteine zum Aufbau benötigt. Ebenfalls natürlich Kraftsportler. Diese brauchen nicht notwendig Fleisch, wohl aber hochsubstantielle Nahrung an sich und da diese oft nicht ausreicht, greifen Bodybuilder dann eben oft auch zu Eiweißpulvern, Riegeln, Präparaten oder gar isolierten Aminosäuren, was natürlich nicht gerade natürlich ist und sicher spezifische mittelfristige gesundheitliche Nachteile mit sich bringen muss. Ob man diese in Kauf nehmen will, bleibt jedem selbst überlassen.

Wenn ich keine Milchprodukte zu mir nehme – und das ist nach wie vor für einen Teil des Jahres der Fall – so nutze ich größere Mengen an Petersilie (Substantialität 84) und Spinat (161) sowie natürlich Hülsenfrüchte, die ich aber nicht sonderlich mag.

Manche an sich hohen Werte sind relativ nutzlos. Z. B. kommt Kaffee auf nicht weniger als 61, doch niemand wird diesen zu seinem Grundnahrungsmittel machen, zumal das höchst ungesund wäre.

Nüsse hingegen sind keine brauchbare Proteinquelle. Deren Substantialität ist so niedrig wie die von Obst, nur dass der absolute Eiweißwert höher ist, aber in demselben Maße eben auch der Wert für die Kalorien aus Kohlenhydraten und Fetten zusammen genommen.

Kritisieren an diesem Substantialitätsindex könnte man, dass dieser die biologische Wertigkeit der einzelnen Proteine aufgrund von deren spezifischer Aminosäurenzusammensetzung übergeht. Die ist bei tierischem Eiweiß bekanntlich höher als bei pflanzlichem, doch dem kann man durch die bekannten Zusammenstellungen (z. B. Soja + Reis) entgegensteuern.

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illith
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Beitrag von illith » 6. Okt 2023 03:37

interessante Ausführung, aber ist hier:
und da diese oft nicht ausreicht, greifen Bodybuilder dann eben oft auch zu Eiweißpulvern, Riegeln, Präparaten oder gar isolierten Aminosäuren, was natürlich nicht gerade natürlich ist und sicher spezifische mittelfristige gesundheitliche Nachteile mit sich bringen muss.
... deine Folgerung, dass nur weil es "unnatürlich" ist, es gesundheitliche Nachteile mit sich bringen muss[sic]?
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Goldzwerg
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Beitrag von Goldzwerg » 7. Okt 2023 18:48

# illith
Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Sie wittern Rohköstler-Ideologie, wenn ich das einmal so bezeichnen darf. Tatsächlich weiche ich von dieser auch insofern ab, als dass ich in einigen Fällen zugestehe, dass denaturierte bzw. künstliche Nutritionalien auch von gesundheitlichem Nutzen sein können. Eigentlich ist das ja bereits bei mit dem Champion Entsafter flüssig gemachtem Obst und Gemüse der Fall. Und dennoch hat Norman W. Walker solche Säfte zu Recht empfohlen und ist bei seiner saftreichen Lebensweise auch 99 Jahre alt geworden.

Was aber den speziellen Fall solcher Bodybuilder-Zusatznahrung betrifft, so bin ich tatsächlich sehr skeptisch in Bezug auf deren langfristige gesundheitliche Unbedenklichkeit.
Die meisten Power-Riegel sind definitiv nicht gut für die Zähne, das sollte ein „No-Brainer“ sein: Der Zucker schadet den Zähnen direkt und darüber hinaus ist der glykämische Index meist hoch, was nicht nur Diabetes begünstigt, sondern eben auch die Remineralisierung der Zähne behindert.
Proteinpulver wiederum basieren auf stark denaturiertem Soja, Eiklar oder Molke aus Milch. Letztere ist im denaturierten Zustand definitiv fast ein „Gift“. Ich habe das wiederholt in meinem Leben gemerkt, etwa in Fällen, wo ich statt meinem gewohnten Rohmilchkäse versehentlich eine pasteurisierte Variante derselben Sorte gekauft habe. Das ist mir zwei Mal in meinem Leben passiert und einmal bin ich danach direkt für ein paar Tage lang krank geworden, das zweite Mal habe ich zumindest für den Rest des Tages schlecht gefühlt.
Sojabohnen wiederum sind im natürlichen Zustand nahrhaft und gesund. Jedoch bekomme ich bereits bei kleinen Mengen sogenannter Sojamilch Bauchschmerzen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Soja in Pulverform da irgendwie gänzlich harmlos ist.
Hinzu kommt, dass Proteinpräparate grundsätzlich unnötig sind, da die meisten Menschen in der westlichen Welt ohnehin zu viel Eiweiß zu sich nehmen. Die Zufuhr-Empfehlungen von der Mainstream-Wissenschaft orientieren sich natürlich an den Essgewohnheiten der Normalbevölkerung, die durch Fleisch-Essen im Regelfall ohnehin zu viel zu sich nimmt. Diese Empfehlungen liegen dann meist nur knapp unter dem statistischen Durchschnitt, wodurch ein falsches Bild darüber entsteht, was wir wirklich brauchen – und das ist bedeutend weniger.
Ich nehme im Schnitt meistens so nur ca. 40 – 50 g Eiweiß pro Tag auf, was etwa 0.5g pro kg Körpergewicht entspricht. Dabei magere ich weder ab noch fehlen mir die Muskeln – ganz im Gegenteil.
Wenn Veganer also meinen, sie müssten unbedingt Eiweißpräparate zu sich nehmen, damit sie in Bezug auf ihre Zufuhr nicht zu stark unter dem Durchschnitt liegen, so sind sie damit bereits auf die grundlegenden Fehlüberzeugungen der Mainstream-Wissenschaft und deren Studien-Auftraggebern hereingefallen, von denen einige auch aus der Fleisch- und Milchindustrie stammen.

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Beitrag von Flachländer » 17. Feb 2024 10:57

Ich habe leider wieder zugenommen, was ich ehrlicherweise auch auf zu viel Schokolade zurückführe. Nüsse habe ich von 100g pro Tag etwas reduziert, weil sie ja doch sehr viele Kalorien haben, habe aber inzwischen Bedenken, dass ich zu wenig Protein zu mir nehme und deshalb ständig hungrig bin.
Ich esse morgens so um die 200g Sojajoghurt mit Müsli (Haferflocken, Leinsamen, Sesam, Sonnenblumenkerne) und Obst, Mittagessen hauptsächlich Kartoffeln oder Reis, Salat und Gemüse, abends Vollkornbrot (mit Sesam, Leinsamen und Sonnenblumenkernen) mit Aufstrich oder Vurst und alle paar Tage einer Avocado. Hafermilch nur im Kaffee, sonst keine Pflanzendrinks.

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Beitrag von illith » 17. Feb 2024 17:28

ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, das ist auf jeden Fall viel zu wenig Protein.
du musst vor allem schauen, Lebensmittel mit einer günstigen Protein/Kcal-Ratio zu forcieren - also viel Protein bei wenig Kalorien.
das hat man bei pflanzlichen Wholefoods nicht, weswegen man selbige mit entsprechenden verarbeiteten Lebensmitteln ergänzen sollte.
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Flachländer
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Beitrag von Flachländer » 17. Feb 2024 20:10

Also doch Pulver? Oder was würdest du sonst empfehlen?

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Beitrag von illith » 17. Feb 2024 20:34

Pulver muss nicht sein, nehm ich ja zB auch nicht.
ich würde Sojaprodukte aufstocken (Milch, Joghurt, Tofu, Tempeh...) und mit Vleisch-, Visch- und Vurstprodukten ergänzen. und zwar mit welchen, die bei der Proteinangabe eine zweistellige Zahl stehen haben.

und weil du ja versuchst, dein Gewicht in Schach zu halten, müsstest du die besagten Proteinquellen nicht on-top deinem Speiseplan hinzufügen, sondern Bestehendes damit austauschen.

aber wenn du Proteinshakes magst, ist das natürlich auch eine Möglichkeit! (empfehle unbedingt, mit Pflanzenmilch anzurühren, nicht mit Wasser)
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Beitrag von Rosiel » 17. Feb 2024 21:45

Warum letzteres?

Ich bin ja sowieso sehr fasziniert davon, wie Menschen 3 Mahlzeiten am Tag essen können und ihr Gewicht halten.

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Beitrag von somebody » 17. Feb 2024 23:24

:D

In Pflanzendrink gerührtes Proteinpulver ergibt angenehmere Konsistenz, ist besser trink-/schluckbar.


@Flachländer

Flachländer, vermute ebenfalls zu wenig Protein, zumal bei zunehmendem Alter höhere Proteinzufuhr empfohlen wird, statt 0,8 g je kg Körpergewicht besser 1,1 - 1,3 g je kg Körpergewicht.

Die hier im Forum nach meinem Eindruck leider vernachlässigten Sojaflocken (zB alnatura, dmBio) mit ihren knapp über 40 % Proteingehalt eignen sich ebenfalls sehr gut zur Verbesserung der Proteinzufuhr. Damit lässt sich zB die Gemüsebeilage leicht aufwerten. Gemüse garen, nach Ablauf der Garzeit Sojaflocken untermischen, 1/2 std quellen lassen, dabei für die Sojaflocken 250 - 300 ml Wasser je 100 g Sojaflocken einplanen.
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Beitrag von illith » 17. Feb 2024 23:59

aber - dann muss man ja eine halbe Stunde warten, bis man essen kann?^^° warum nicht einfach beim Garen schon mit reinschmeißen?

die 0.8g/kg gehen ja von Omnis aus. da pflanzliches Protein im Schnitt weniger essentielle Aminosäuren enthält, ist es als Pflanzenfutterer ohnehin sinnvoll, da aufzurunden.
1.5-2g/kg wären mE ideal - nach oben hin offen.

ich hatte BF kürzlich für ein Rezept-Experiment Erbsenprotein-Isolat bestellt. da machen wir jetzt öfter den ein oder anderen Löffel von in unsere Hauptspeisen, zB Spinat. wenn man nicht zu viel reinmacht, fällt es nicht auf und 1 gehäufter EL hat fast 10g Protein.

Rosiel, was somebody sagt.
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