Machen wir uns nichts vor! Schwerst Körperbehindert + Psychatrie ist jetzt nicht die geilste Kombination um auf Freiersfüßen durch die Welt zu streifen. Aber mittel- oder langfristig auch nicht unmöglich. Wenn die Psyche wieder halbwegs stabil ist, könnte man das schon irgendwie in Angriff nehmen.
Was hast du ihm denn erzählt? Gibt es aufgrund deines melkfettphobieinduzierten Rechtsruckes irgendwelche wilden Aktion-T4-Phantasien, die dich zu radikalen Aussagen ihm gegenüber verleitet haben?
Mein Bruder braucht Hilfe!
Iustinianus hat geschrieben:Was hast du ihm denn erzählt? Gibt es aufgrund deines melkfettphobieinduzierten Rechtsruckes irgendwelche wilden Aktion-T4-Phantasien, die dich zu radikalen Aussagen ihm gegenüber verleitet haben?
Du bist schon auf der richtigen Fährte. Ich war früher Sympathiesant bei der PDS. Ich war schon immer jemand, der zu Extremen neigte. Hab' halt 'n guter Mensch werden wollen. Es gab' bei uns in der Schule Punks, die unter anderem T-Shirts mit durchgestrichenen schießenden Soldaten getragen haben. Später hab' ich mich dann mit ihnen identifiziert. Zunächst konnte ich es gar nicht gut mit denen... Wie auch immer... Als ich dann an einem PDS-Stand son Plakat mit sonem Blauhelm, der auf nem Kreuz steckte gesehen hab', wollte ich da direkt mitmachen. Ich wusste ja nicht, dass das nicht dasselbe ist. Ich dachte, es sei die Gleiche Gesinnung, wie die der Punks. Mein Vater hat mir dann gesagt, ich solle es lassen, er hätte bedenken, da Behinderte in der DDR ja nicht gut behandelt worden seien. Wollte da nicht drauf hören. Er ließ aber nicht locker, wurde halt sehr Offensiv. (Hat mich unter Druck gesetzt) Und so wurde ich desillusioniert. Ihm ist halt nicht der Gedanke gekommen, dass er damit genau das bewirkt, was er schon gar nicht will. Er hat dann Hitler als Kommunisten bezeichnet um damit halt links- und rechtsradikale in einen Topf zu werfen. Ich will gar nicht bestreiten, dass er damit teilweise recht hat. Jedenfalls wurde ich dann (wie schon so oft zuvor) desillusioniert. Soweit ich weiß, neige ich zu Extremen, seit ich dass erste Mal tief verletzt wurde. Hat meine Minderwertigkeitskomplexe auf den Weg gebracht. In der Psychologie nennt man sowas wohl Nichtigkeitswahn. Das war mit sieben, acht oder neun Jahren. Muss es gewesen sein. Weiß nicht mehr genau. Jedenfalls hat mich mein Teller "verhönt", ich hielt mich des Essens nicht mehr für würdig. Zu dieser Zeit wollte ich das erste mal Sterbefasten machen und hätte man meinem Willen statt gegeben, wär ich wohl heute nicht mehr hier. Damals war ich noch wesentlich geistesstärker als heute. Ich hätte locker auf Essen verzichten können und wäre dann wohl gestorben - besser wär's gewesen.
Ich war dann irgendwann der Meinung, die Nazis hätten tatsächlich gutes mit den Menschen im Sinn gehabt. Man war ja der Meinung, Behinderte seien grundsätzlich unwertes Leben, was ich aus evolutionäre Sicht auch ganz logisch fand. Also fing ich irgendwann damit an, meinem Bruder einzutrichtern, dass er keine Freundin verdient habe und auch nie eine finden werde. Ich habe zu dieser Zeit wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, um ihn zu verletzen. Das wir aus evolutionärer Sicht sehr wohl wertvoll sein können, da wir nicht aufgrund unseres Erbmaterials, sondern aufgrund politischen bzw. ärztlichen Versagens behindert sind, das war mir so nicht klar. Es ist ja auch noch so, dass man hindurch sein ganzes Leben gemerkt hat, dass man nie so gleichberechtigt Teil das ganzen war, wie andere. Ich habe heute nicht mehr wirklich Komplexe, was ich meinem Verstandsverlust zu verdanken habe. Bin heute sogar so weit, mitunter die Dummheit zu begehen, mich selbst für schlau zu halten, was früher nicht denkbar gewesen wäre, gab es in meinem Leben gar Zeiten, in denen ich es nicht gewagt habe, mich als Mensch zu seh'n, ganz zu schweigen davon, dass ich jemals Hochnäsigkeit gewagt hätte. Du siehst, bei mir hat sich viel geändert! Esther Vilar hat darüber wohl ein Buch geschrieben. Der verhängnisvolle Glanz der Dummheit, oder so ähnlich, jedenfalls scheint dieses Phänomen mittlerweile bei mir vorzuliegen. Ja, ich sag' euch das... Hab' mich mein Leben lang gefragt, wieso andere immer alles so sicher machen können, während ich immer bei allem so unsicher war. Ich weiß heute, was Ihr Erfolgsrezept war: Dummheit. Auch, wenn das vielleicht nicht grundsätzlich stimmt.
Zuletzt geändert von Reggo am 19. Apr 2015 23:44, insgesamt 2-mal geändert.
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Iustinianus
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Mit Dummheit gesegnet zu sein macht schon vieles leichter im Leben. Nach allem was ich so von dir gelesen habe (auch in dem Melkfett-Thread), hätte eine ordentliche Portion davon dich vor einigem bewahrt. Aber diese Gnade wurde dir nicht zu Teil und jetzt musst du halt mit der Bürde einer gewissen Intelligenz zu Recht kommen. Ob sich das bei dir jetzt wirklich so stark gegenüber allen anderen Mensschen abhebt, sei mal dahin gestellt. Aber was kreative Gedankengänge, Grübeln und Hirnwichserei betrifft, macht dir so schnell keiner etwas vor. Deinem Bruder wirst du so allerdings nur schwer helfen können. Du kannst ja nicht mal dir selber helfen. Und mit jemandem mal schnell "buchen" ist es da schon gar nicht getan. Dein bescheidener Beitrag zur Genesung könnte es wohl höchstens sein, selber erstmal halbwegs stabil zu werden, damit du ihn in Zukunft wenigstens mit irgendeinem Schwachsinn verschonst. Aber dazu kann hier niemand einen Beitrag für dich leisten, außer das Offensichtliche zu benennen.
Ich hab' mich ja nie für besonders clever gehalten (und war es wohl auch nicht), aber das was so ungefähr die letzten 12-13 Jahre bei mir abgeht...das ist schon...naja!Iustinianus hat geschrieben:Mit Dummheit gesegnet zu sein macht schon vieles leichter im Leben.
Schon das Wort clever hätt' ich früher nie benutzt. Sowat kam mir immer so dämlich vor.
Aber, ganz ehrlich: Wir sollten nicht wirklich dazu Übergehen, die Doofheit zu loben...
Es gibt noch jemanden, der hier wahrscheinlich eine Mitschuld hat. Einer meiner Ex-Lehrer, nur, um das korrekterweise noch hinzuzufügen! Und, dass er bedenken habe, hat er sinngemäß gesagt, nicht wörtlich.Mein Vater hat mir dann gesagt, ich solle es lassen, er hätte bedenken, da Behinderte in der DDR ja nicht gut behandelt worden seien. Wollte da nicht drauf hören. Er ließ aber nicht locker, wurde halt sehr Offensiv. (Hat mich unter Druck gesetzt) Und so wurde ich desillusioniert. Ihm ist halt nicht der Gedanke gekommen, dass er damit genau das bewirkt, was er schon gar nicht will. Er hat dann Hitler als Kommunisten bezeichnet um damit halt links- und rechtsradikale in einen Topf zu werfen. Ich will gar nicht bestreiten, dass er damit teilweise recht hat. Jedenfalls wurde ich dann (wie schon so oft zuvor) desillusioniert.