Weidelandhaltung vs. vegane Landwirtschaft: Fakten und Zahle

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He-Man
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Weidelandhaltung vs. vegane Landwirtschaft: Fakten und Zahle

Beitrag von He-Man » 18. Feb 2015 12:46

Ein häufig verwendetes Argument aus antiveganen Kreisen ist die Behauptung, dass bestimmte Arten von Tierhaltung, insbesondere Weiderindhaltung, eine bessere Bilanz bezüglich getöteter Tiere aufweisen würde als eine rein vegane Landwirtschaft. Auch Klaus Alfs, eine Art antivegane (Irr)Lichtgestalt, hat das Argument kürzlich in einem seiner Rechtfertigungsversuche aufgegriffen. http://blog.klausalfs.de/2862/ernahrung ... e-bleiben/

Die Argumentation basiert hauptsächlich auf einer Arbeit von Davis aus dem Jahr 2003, in der die Zahl der Todesopfer einer veganen Landwirtschaft mit der Zahl einer omnivoren Ernährung basierend auf Weiderindhaltung verglichen werden. https://www.morehouse.edu/facstaff/nnob ... stHarm.htm

Zu den Zahlen (gelten nur für USA):
Davis Rechnung geht davon aus, dass pro ha Anbaufläche bei Feldarbeiten (säen, ernten, etc.) 15 Wildtiere (Mäuse, etc.) getötet werden. Bei einer Fläche von 120 Mio. ha landwirtschaftlicher Fläche in den USA macht das 1.8 Mrd. Tiere pro Jahr bei veganer Ernährung.
Dagegen würde eine Landwirtschaft, in der die Hälfte der Fläche für Ackerbau und die Hälfte der Fläche für Weiderindhaltung verwendet wird, folgende Bilanz ergeben:
60 Mio. ha x 15 Tiere/ha = 0.9 Mrd. Tiere
60 Mio. ha x 7.5 Tiere/ha = 0.45 Mrd. Tiere (für Weiderindhaltung unter der Annahme, dass Kühe auf einer Wiese stehen ohne Feldarbeiten)
Summe: 1.35 Mrd. Tiere, also 450 Millionen Tiere weniger als mit veganer Ernährung.

Was Leute wie Alfs oft (und gerne absichtlich) unter den Teppich kehren ist die Tatsache, dass dem bestehenden System aus Massentierhaltung ca. 10 Mrd. Tiere in den USA für den menschlichen Konsum zum Opfer fallen. Das bedeuted, Davis Rechnung ist eine klare Gegenposition zu dem bestehenden System und sowohl vegane Landwirtschaft als auch Weiderindhaltung würden deutlich besser abschneiden. Hinzu kommen die getöteten Wildtiere, die bei Erntearbeiten für die Erzeugung von Futtermitteln für die konventionelle Massentierhaltung anfallen, d.h. die Zahl an tatsächlichen Todesopfern ist weitaus grösser.

Eine Gegenreaktion kam kurze Zeit später von Matheny: LEAST HARM: A DEFENSE OF VEGETARIANISM FROM STEVEN
DAVIS’S OMNIVOROUS PROPOSAL(2003). http://www.veganoutreach.org/enewsletter/matheny.html

Hauptkritikpunkte an Davis Arbeit sind, dass er zunächst von Tierleid spricht und dann aber zu Todeszahlen überwechselt ohne genauen Zusammenhang und den oft grausamen Umgang mit Tieren ausser acht lässt. Eine Maus, die auf einem Feld lebt und bis zu ihrem Tod ihren natürlichen Bedürfnissen nachgehen kann, leidet weniger als ein Weiderind, dass oft gebrandmarkt und sterilisiert wird, dem irgendeine Plakette durchs Ohr gestochen wird, die Hörner abgefräst werden, nicht natürlicherweise Nachwuchs aufziehen kann und evt. einen langen Transport in ein Schlachthaus über sich ergehen lassen muss um dort geschlachtet zu werden. Desweiteren hat die höhere Anzahl von Weiderind einen Effekt auf die Ökologie, so verdrängen bzw. schränken sie wildlebende Spezies ein oder fressen seltene Pflanzenarten. Auch hätte der erhöhte Weiderindbestand (um den Faktor 10 lt. Davis) einen gravierenden Einfluss auf Gewässer (Überdüngung) und Wälder, die für zusätzliches Weideland abgeholzt werden müssen.
Desweiteren ist die Berechnung von Davis selbst fehlerhaft, denn es wird angenommen, dass Ackerbau und Weiderindhaltung die selbe Menge Menschen ernähren könne. Fakt ist, dass Ackerbau und Weiderindhaltung jedoch unterschiedliche Mengen Nahrungsmittel pro ha erzeugen, wobei der Ertrag im Ackerbau ungleich grösser ist als beim Weiderind. Deshalb müssen die Zahlen auch auf Wildtier-Todesopfer/Mensch gerechnet werden, wobei eine Veganer 0.3 Wildtiere/a, ein Vegetarier 0.39/a und ein Omnivorer 1.5/a Wildtiere pro Jahr töten würde um seinen jährlichen Proteinbedarf von 20kg zu decken.

Es gibt noch einige weitere interessante Artikel zu dem Thema, die ich aber aus Zeitgründen erst später posten kann. Auch bezüglich der angenommenen Zahlen dass 15 Tiere/ha bei veganer Landwirtschaft sterben, gibt es grosse Unterschiede.
Habt Ihr noch Material, Studien, Artikel, etc. die sich mit dem Thema (auch im weitläufigen Sinne) befassen bzw. wie ist Eure Meinung dazu?
Zuletzt geändert von He-Man am 19. Feb 2015 09:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von VegSun » 18. Feb 2015 14:34

Gut recherchiert, aber was mich noch interessiert ist wie viele Menschen mit Wendeviehhaltung überhaupt ernährt werden können ? Man kann auf eine großen Fläche nicht soviele Tiere halten und das Fleisch davon kann sich nicht jeder leisten.

Gibts Zahlen dazu ?
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He-Man
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Beitrag von He-Man » 18. Feb 2015 17:38

Danke. Ich habe folgendes gefunden:

Ein interessanter Zusammenhang besteht zwischen Haltungsform, Landbedarf und CO2-Produktion.

Haltungssystem--------------------- kg CO2/kg Protein--------------- m2/kg Protein
Industrial systems -------------------45–210------------------------------75–143
Meadow systems, suckler herds----114–250----------------------------164–788
Extensive pastoral systems----------58–643-----------------------------1430–2100

Zum Vergleich
Vegane Ernährung: ca 1kg CO2/kg Protein

Der Landbedarf ist natürlich für Weidehaltung am grössten. Allerdings ist auch der CO2-Fussabdruck von Weideland am höchsten. Denn die Rinder laufen herum (verbrauchen also Kalorien) und sind relativ schlechte Futterverwerter.
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 9212000942

Noch schlechter wird die Bilanz, wenn man berücksichtigt, dass das Weideland kein CO2 binden kann. In einer Studie von Schmidinger entspricht 1 kg Rindfleisch aus Brasilien der CO2-Bilanz einer 1.600 km Autofahrt. In die Berechnung wurden lokale Unterschiede der Vegetation eingerechnet und der Wert ist deshalb so hoch, weil man hier Weideland in Brasilien mit Regenwaldfläche vergleicht, die CO2 binden würde. Ob das realistisch ist, kann jeder selbst entscheiden.
http://www.welt.de/wissenschaft/article ... ahren.html

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Beitrag von Murphy » 18. Feb 2015 18:32

Hallo He-Man!

Meine Meinung dazu? Ich fand dieses Argument schon immer ziemlich bescheuert und von Grund auf unlogisch. Selbst wenn es war wäre, würde es nichts daran ändern, dass man Kühe (und natürlich auch andere Tiere) nicht abmurksen soll.

Daher: Danke dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast, das mal zusammen zu tragen. Ich habe mich bestens imformiert gefühlt.
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Beitrag von TheAbolitionist » 18. Feb 2015 22:21

Wirklich toll! besten Dank ;-) wird Zeit, dass das mal ausgerechnet wird.

He-Man
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Beitrag von He-Man » 19. Feb 2015 08:51

Danke für eure Meinung.

Hier noch ein Kommentar vom Graslutscher zu dem Thema. Wie gewohnt sehr amüsant zu lesen und treffend auf den Punkt gebracht. :D

http://graslutscher.de/ich-esse-fleisch ... e-sterben/

Funny
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Einseitiges Denken

Beitrag von Funny » 21. Feb 2015 12:16

Mich wundert immer wieder mit welchen amateurhaften Denken und Argumenten irgendwelche Statistiken herangezogen werden, die an der Wirklichkeit nicht nur knapp vorbei gehen. Welchem der Schreiber ist schon der Unterschied der verschiedenen Weideformen bekannt.Was ist eine geregelte und ungeregelte Weide.Wo bleibt die Alm? Wie sind Weiden eingefriedet und wie wurden sie bei der Berechnung mit herangezogen. Wo bleibt die Winterweide? Wird das Tier auch zur Bewirtschaftung und Instandhaltung von Ackerflächen benutzt. Wird mit dem Dung der Tiere Getreide angebaut.....Ist eine Fruchtwechsel berücksichtigt. Was ist mit natürlichen Weidegebieten......Ist berücksichtig, das der Dung der Tiere und das Abweiden erst die natürliche Möglichkeit für eine neue Pflanzenart schafft. Also nährstoffreicher Boden?
Wo sind die natürlichen Weidetiere,oder wo sind sie geblieben? Was passiert wenn diese Tiere wegbleiben? Welche Abhängigkeit haben wir Veganer von diesen Tieren?
Als Beispiel:
Der mittlere Teil von Nordamerika bestand fast nur aus der Prarieland, oder Weideland. Davon lebten ca 30 Millionen Büffel. Was für eine gewaltiger natürlicher CO2 Ausstoß, den es über Millionen Jahre gegeben hat und natürlich Dung, dessen Aufgabe unter anderem die Bildung von Humus ist, der wiederum die Wasserrückhaltefähigkeit des Bodens verbessert, der gerade auf Steppen oder Weideland sehr gering ist. Und was passiert wenn man diese biologisch wichtigen Tiere verhindert? Wieviel dieses natürlichen Weidelandes ist nach dem töten der Bisosns noch über? So gut wie nichts. Nur noch eine riesige für Weizen und Mais genutze Fläche,die künstlich bewässert werden muß und ansonsten verödet, da der natürliche Humusbilder (Bison) fehlt. Könnte man die Tiere wieder ansiedeln? Natürlich. Wolllen wir das? Natürlich nicht. Ist von Natur aus zwar "Eigentum" des Bison, aber dann müssten wir ja unseren Kalorienbedarf in Form von Getreide drastisch einschränken. Dann lieber eine Artenvielfalt gleich null. Was die Konsequenz einer Monokultur eben ist. Moderne Ackerflächen ohne Wiederkäuer, haben mit Natur nichts mehr zu tun. Dies ist für mich einer der wichtigsten Gründe keine Pflanzen zu essen, die unserer Natur an erster Stelle zerstören.

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